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"Multipolar" Wer steckt hinter dem Onlinemagazin, das die Veröffentlichung der Corona-Protokolle erzwang?

Protokolle des Robert Koch-Instituts sind nach einer Klage von "Multipolar" öffentlich zugänglich
Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert Koch-Instituts sind nach einer Klage von "Multipolar" erstmals öffentlich zugänglich
© Philipp Znidar / Picture Alliance
Aufgrund einer Klage des Onlinemagazins "Multipolar" wurden geheime Protokolle des RKI-Corona-Krisenstabs veröffentlicht. Was macht das Nachrichtenportal aus?

Nach einem langen Rechtsstreit hat das Robert Koch-Institut (RKI) die Protokolle seines Krisenstabs während der Corona-Pandemie herausgegeben. Das Onlinemagazin "Multipolar" hatte die Veröffentlichung der Protokolle  für den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 durch eine Klage erreicht. Was verbirgt sich hinter dem Portal?

"Multipolar" wird laut Impressum von dem Autor Paul Schreyer betrieben, der in der Vergangenheit vor allem mit verschwörungstheoretischen Erzählungen zum 11. September und einer äußerst russlandfreundlichen Haltung für Aufsehen sorgte. 

"Multipolar" will "fundierte Herrschaftskritik" üben

Gemeinsam mit dem freien Journalisten Stefan Korinth und dem Politikwissenschaftler Ulrich Teusch gründete Schreyer nach eigenen Angaben im Januar 2020 "Multipolar". Ihr gemeinsames Ziel sei es, "fundierte Herrschaftskritik" zu üben, die über die "offiziell erwünschte" Kritik (an Putin, Trump, China etc.)" hinausgehe. So lässt es zumindest ihre Website verlauten. Ulrich Teusch sei Ende 2023 aus dem Herausgeberkreis ausgeschieden.

Beinahe seit Beginn der Corona-Pandemie setzt sich Paul Schreyer intensiv mit dem Thema auseinander, unter anderem in seinem Buch "Chronik einer angekündigten Krise. Wie ein Virus die Welt verändern konnte". Der Münchener Politikwissenschaftler Werner Bührer hat das Werk untersucht und kommt zu dem Schluss, dass Schreyer darin dem World Economic Forum, der Gates-Stiftung und unbekannten transnationalen Akteuren bei einer Steuerung der öffentlichen Wahrnehmung der Pandemie eine zentrale Rolle zumesse. Die Medien hätten es laut Schreyer nicht geschafft, ruhig und reflektiert abzuwägen. Für die öffentliche Aufmerksamkeit seien die wirtschaftlichen Interessen der Pharma-Industrie ausschlaggebend gewesen. 

Schreyer lasse sich in seinen Aussagen nie zu "apodiktischen Urteilen" hinreißen, so Bührer. Vielmehr decke er in seinen Werken vermeintliche Unklarheiten auf und entwerfe daraufhin Schreckensszenarien, die diese herleiten könnten. Stichhaltige Beweise für die genannten Anschuldigungen bleibe Schreyer den Leserinnen und Lesern laut Bührer allerdings schuldig.

Der Extremismusforscher Markus Linden bezeichnet den Herausgeber von "Multipolar" in seinem Artikel "Die Legende vom Konformitätsdruck" aus dem Jahr 2021 als "vergleichsweise geschickten Verschwörungstheoretiker". Bührer bestätigt Lindens Urteil.

Auch auf "Multipolar" veröffentlicht Paul Schreyer seit 2020 in regelmäßigen Abständen kritische Beiträge und Artikel zur Corona-Pandemie, den daraus resultierenden Maßnahmen sowie zu den Corona-Impfstoffen. 

Robert Koch-Institut dementiert Vorwürfe

Durch den Inhalt der nun veröffentlichten Protokolle sehen sich "Multipolar" und Schreyer bestätigt und ziehen vor allem Schlüsse aus den vom RKI angewendeten Schwärzungen. Fakt ist: Das RKI stufte die Risikoeinschätzung am 17. März von "mäßig" auf "hoch" ein. In den Protokollen ist einen Tag zuvor vermerkt, dass die Risikobewertung vorbereitet sei und nun "hochskaliert" werden könnte. Der genaue Wortlaut der Passage lautet: "Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald (Personenname geschwärzt) ein Signal dafür gibt." 

"Multipolar" sieht es daher als erwiesen an, die "Verschärfung der Risikobewertung von 'mäßig' auf 'hoch' – Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile – gründete, anders als bislang geglaubt, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs".

Die Protokolle legen allerdings nahe, dass das RKI selber für die Risikobewertung verantwortlich war und das Risiko als "hoch" eingestuft hat. Nur die Veröffentlichung hing von der Freigabe der namentlich genannten Person ab. Das RKI reagierte am Montagmittag auf die Vorwürfe und gab nach Anfrage von T-online bekannt, dass es sich bei der geschwärzten Person "um eine beim Robert Koch-Institut beschäftigte Person handle".

Im Mai will "Multipolar" erneut vor das Berliner Verwaltungsgericht ziehen. Dieses Mal, um eine vollständige Protokolleinsicht ohne Schwärzungen zu erwirken. 

Quellen: ZDF, "T-Online", "Merkur", Werner Bührer

jus

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